Hildegard Schäfer
Palmstraße 37, Wilsdruffer VorstadtHIER WOHNTE
HILDEGARD
SCHÄFER
GEB. HEMPEL
VERW. WEIGOLDT
JG. 1914
ZEUGIN JEHOVAS
SEIT 1938 MEHRMALS
VERHAFTET
1944 ZUCHTHAUS WALDHEIM
BEFREIT
Weitere Stolpersteine in Palmstraße 37:
Schäfer, Walter Karl
Weigoldt, Fritz
Weigoldt, Hans
Hildegard Schäfer wurde als Hildegard Hempel am 13. Juli 1914 im brandenburgischen Wutike (heute ein Ortsteil von Gumtow) geboren. Ihre Eltern Walter Hempel (1895–1967) und Helene Hempel, geborene Ganenz, zogen mit ihr und ihrer jüngeren Schwester 1920 nach Dresden in die Mathildenstraße 30. Seit 1927 hatte die Familie Kontakt zu Jehovas Zeugen. 1929 wurde Hildegard Hempel durch die Taufe Mitglied der Religionsgemeinschaft. Am 20. August 1935 heiratete sie Fritz Weigoldt (1911–1937). Das Ehepaar wohnte gemeinsam in der Dresdner Palmstraße 37. Ein Jahr später, am 9. September 1936, wurde ihr Sohn Hans Weigoldt (1936–1996) geboren.
Nach dem Verbot der Zeugen Jehovas in Sachsen am 18. April 1933 praktizierte das Paar im Untergrund seinen Glauben weiter. Fritz Weigoldt wurde am 25. März 1937 deswegen verhaftet. Nach Folter im Polizeigewahrsam starb er dort im Juni 1937. Eine Grabrede wurde von der Gestapo verboten. Hildegard Weigoldt musste sich nun allein um ihren neunmonatigen Sohn kümmern. Sie bezweifelte die offizielle Darstellung der Polizei, ihr Mann hätte sich selbst erhängt, da sie dessen Kleidung blutverschmiert zurückerhalten hatte. Davon erzählte sie auch anderen. Bereits im Juli 1937 wurde sie daher verhaftet. Da sie bei ihrer Darstellung blieb, verurteilte das Sondergericht Freiberg sie am 8. Dezember 1937 – da sie nach dem Tod ihres Ehemannes einen Beamten angezeigt hatte – wegen „Beamtenbeleidigung“ zu einer Haftstrafe von vier Monaten. Weil sie ihren Sohn nicht bei ihren ebenfalls inhaftierten Eltern lassen und auch nicht in ins Gefängnis mitnehmen durfte, kam er bei ihren Schwiegereltern unter. Bis zum 10. Mai 1938 blieb sie im Gerichtsgefängnis in der George-Bähr-Straße 5 in Einzelhaft.
Am 17. Januar 1942 heiratete Hildegard Walter Schäfer (1910–1942), einen Glaubensbruder und Freund ihres verstorbenen Mannes, der zu ihr und ihrem Sohn in die Palmstraße 37 zog. Kurze Zeit nach der Hochzeit erhielt Walter Schäfer den Stellungsbefehl zur Wehrmacht. Er verweigerte sich dem Kriegsdienst aus Glaubensgründen, wurde vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und am 26. September 1942 enthauptet. Noch während seiner Haft brachte Hildegard Schäfer eine Tochter zur Welt, die ihren Vater nie kennen lernten konnte.
Hildegard Schäfer wurde nach mehrfachen Verhören unter Gewaltandrohung seit Sommer 1943 und einer Hausdurchsuchung Anfang November 1943 im Polizeigefängnis in der Dresdner Schießgasse in Einzelhaft genommen. Von Dresden wurde sie über Gefängnisse in Prag, Linz und Salzburg per Zug nach München gebracht, wo sie zunächst im Polizeigefängnis in der Ettstraße in eine überfüllte Zelle gepfercht wurde und am 20. April 1944 in das Gefängnis in München-Stadelheim überführt wurde. Ursprünglich sollte Hildegard Schäfer in einem Massenprozess gegen Zeuginnen und Zeugen Jehovas vor dem Volksgerichtshof stehen. Die Anklageschrift warf ihr vor, in ihrer Wohnung „Bibellesekränzchen“ abgehalten, Spendengelder und einen Vervielfältigungsapparat in Verwahrung gehabt und selbst illegale Schriften gelesen und weitergegeben zu haben. Jedoch wurde das Verfahren gegen Hildegard Schäfer am 13. Juli 1944 vom Hauptverfahren abgetrennt. Nachdem das Gefängnis in München-Stadelheim durch einen Bombenangriff schwer beschädigt worden war, wurde sie Anfang August 1944 in das Gefängnis nach Landshut überführt. Der 6. Senat des Volksgerichtshofs verurteilte sie schließlich am 12. September 1944 in Potsdam zu sieben Jahren Haft, die sie bis zu ihrer Befreiung am 8. Mai 1945 im Frauenzuchthaus Waldheim verbüßte.
Nach ihrer Rückkehr nach Dresden lebte sie zunächst gemeinsam mit ihren beiden Kindern und ihren Eltern in der Industriestraße 32. Später zog Hildegard Schäfer mit Sohn und Tochter in eine eigene Wohnung in der Trachenberger Straße 57. Noch im Jahr 1945 wurde sie als „Opfer des Faschismus“ anerkannt. Gut fünf Jahre später wurde ihr dieser Status wieder aberkannt, da sie – wie alle Mitglieder der Religionsgemeinschaft – aufgrund der religiös motivierten politischen Neutralität kein politisches Bekenntnis zur DDR ablegen wollte. Als infolge des Verbots der Religionsgemeinschaft in der DDR im August 1950 immer mehr Zeuginnen und Zeugen Jehovas in der DDR inhaftiert wurden – darunter auch ihr Vater Walter Hempel –, entschloss sich Hildegard Schäfer schließlich 1955 zur Flucht. Sie lebte in München, wo sie am 12. Dezember 2004 im Alter von 90 Jahren gestorben ist.
T. Martin Krüger
Quellen
Bundesarchiv: R 3017 (Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof)/32213, Bde. 1 (Anklage 1944) und 6 (Urteil 1944)
Sächsisches Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden: 11027 Sondergericht Freiberg, Karton 428, Kms/SG 825/37 (Urteil 1937); 11430 Bezirkstag Dresden / Rat des Bezirkes Dresden, VdN Nr. 8205 (Hildegard Schäfer)
Staatsarchiv München: Justizvollzugsanstalt München 22665 (Gefangenenakte)
Unterlagen aus Privatbesitz
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