Details

Arthur Leuschner

Bramschstraße 2, Löbtau

HIER WOHNTE
ARTHUR LEUSCHNER
JG 1894
VERHAFTET 1943
ZWANGSARBEIT
DEPORTIERT 1943
GROSS-ROSEN
1945 MAUTHAUSEN
ERMORDET 13.3.1945



Arthur Leuschner wird am 27.08.1894 als Sohn des Gutsbesitzers Gustav Leuschner und seiner Ehefrau Ottilie in Zschieschen (heute Großenhain in Sachsen) geboren. Er ist eines von 13 Kindern, von denen mindestens vier noch im Kindesalter sterben. Zwei seiner Brüder arbeiten bei der Reichsbahn, und auch Arthur findet dort Arbeit als "Maschinenputzer".
Arthur hat sein 20. Lebensjahr erreicht, als der erste Weltkrieg ausbricht. Er wird als Gefreiter eingezogen. Bis zum Ende des Krieges 1918 wird er zweimal verletzt ins Lazarett eingeliefert. 1920 heiratet Arthur die Hausmagd Martha Lange. Martha bringt ein Kind mit in die Ehe. Zwischen 1920 und 1935 kommen sechs weitere gemeinsame Kinder auf die Welt.
1930 wird er als Lokomotivheizer zur Reichsbahn in Dresden versetzt. Er zieht im gleichen Jahr mit seiner Familie nach Dresden-Löbtau um. Im Mietshaus Bramschstraße 2 befindet sich im Erdgeschoss die Gaststätte "Zur Myrte". Der Eigentümer und Vermieter des Gebäudes ist der "Konsumverein Vorwärts für Dresden und Umgebung“. Diese der SPD nahestehende Genossenschaft ermöglicht ihren Mitgliedern vergünstigtes Einkaufen und Wohnen. Bei den Mietern handelt es sich zum großen Teil um Eisenbahner, die vermutlich Mitglieder des Konsumvereins sind. Es ist daher davon auszugehen, dass Arthur Leuschner Anhänger der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung war.
Nach der nationalsozialistischen "Machtergreifung“ 1933 wird der Konsumverein "Vorwärts“ enteignet und muss sich schließlich auflösen. Das Gebäude in Dresden-Löbtau gehört nun der "Verbrauchergenossenschaft Dresden“, die Mieter können weiter dort wohnen.
Kinderreiche Familien stehen in der NS-Ideologie besonders im Fokus. Sie erhalten finanzielle Begünstigungen und Ehrungen. Es wird von ihnen Engagement in nationalsozialistischen Organisationen erwartet. Martha erfüllt mit 7 Kindern in besonderem Maße die Erwartungen an eine deutsche Mutter. Die Familie erhält ein "Volksempfänger“-Radio geschenkt. Arthurs älteste Töchter sind Mitglied im "Bund deutscher Mädel“. Ein Sohn ist im "Reichsarbeitsdienst“ verpflichtet. Der älteste Sohn wird zur Wehrmacht eingezogen. Arthur selbst sei empfohlen worden, in die NSDAP einzutreten, was er aber nicht gewollt habe.
1943 stellt einen Wendepunkt im Leben der Familie dar, in der es spätestens jetzt zu Spannungen kommt. Martha lässt sich von ihm scheiden, was zu dieser Zeit ungewöhnlich ist. Im gleichen Jahr wird sein ältester Sohn mit 19 Jahren an der Front in Russland getötet. Die Aussichtslosigkeit der Kriegslage ist großen Teilen der Bevölkerung bewusst. Zu vorgerückter Stunde soll Arthur in der Gaststätte (eventuell in der "Myrte“) regelmäßig ausfallend werden und sich über den "Führer“ lustig machen.
Arthur wird 1944 verhaftet. Zwei seiner Kinder sehen ihn in Häftlingskleidung als Zwangsarbeiter beim Straßenbau in der Nähe des Zwingers in Dresden. Dann erreicht die Familie die Nachricht, dass alle Häftlinge aus Dresden in Konzentrationslager eingeliefert wurden, Arthur sei in das Konzentrationslager Groß-Rosen (bei Breslau, im heutigen Polen) eingeliefert worden.
Sowohl die Umstände der Verhaftung als auch die Verhaftungsgründe konnten bisher nicht geklärt werden. Seine Ehefrau berichtet nach 1945, er sei wegen "sittlicher Verfehlungen“ verhaftet worden. In den auffindbaren Unterlagen ist er dagegen als "Politischer Schutzhäftling“ verzeichnet.
Was danach passiert, ist jedoch durch Berichte von überlebenden Mithäftlingen detailliert belegt.
Die sowjetischen Truppen nähern sich Breslau und den weiter östlich gelegenen Außenlagern des KZ Groß-Rosen. Die SS entscheidet daher, diese Lager zu räumen und schickt tausende Häftlinge auf mehrtägige Fußmärsche in das Hauptlager. Viele Häftlinge sterben dabei an Entkräftung oder werden durch die mitmarschierenden SS-Angehörigen getötet.
Das Hauptlager Groß-Rosen ist stark überfüllt. Im Februar 1945 wird entschieden, auch dieses zu räumen. Über 40.000 Häftlinge werden innerhalb weniger Tage zum Bahnhof Groß-Rosen getrieben.
Am 8. Februar wird Arthur zusammen mit mehreren Tausend weiteren Menschen in einen Güterzug "verladen“. Jeweils 120-200 Menschen stehen dicht gedrängt in oben offenen Kohlewaggons.
Der Zug erreicht zunächst das KZ Buchenwald in Weimar. Dieses ist jedoch ebenfalls überfüllt, so dass der Zug nach mehreren Tagen Aufenthalt in das KZ Mauthausen in Österreich umgeleitet wird.
Wie Überlebende berichten, erhalten die Häftlinge während der gesamten Fahrt weder Verpflegung noch Wasser. Die Temperatur sinkt bis auf -20 Grad. Zahlreiche Häftlinge erfrieren, sterben an Entkräftung, töten sich im Gedränge gegenseitig, oder werden von den SS-Begleitern erschossen. Unterwegs hält der Zug, damit die Verstorbenen aus den Waggons geworfen oder in einem der hinteren Waggons gesammelt werden können.
Nach insgesamt einwöchiger Fahrt erreicht der Zug in der Nacht zum 15. Februar 1945 den Bahnhof Mauthausen, wo er von SS-Angehörigen und deren Hunden empfangen wird. Die Häftlinge müssen sich auf den vier Kilometer langen Fußmarsch in das Konzentrationslager Mauthausen machen. Auch auf diesem Marsch sterben viele Häftlinge oder werden getötet.
Es folgt eine Aufnahmeprozedur, bei der die Häftlinge stundenlang im Freien stehen, sich ausziehen müssen und kalt geduscht werden. Am nächsten Morgen werden die Überlebenden registriert. Arthur Leuschner gehört dazu. Er ist einer von 2.690 registrierten Überlebenden dieses Transportzuges.
Arthur wird in den unbeheizten "Quarantäneblock“ aufgenommen. Auch dort herrschen katastrophale Lebensbedingungen, bei regelmäßigen Appellen kommt es zu Misshandlungen durch privilegierte Häftlinge und die Lager-SS. Diese Behandlung soll dazu dienen festzustellen, wer noch arbeitsfähig ist.
Arthur gehört nicht dazu. Er wird in das sogenannte "Sanitätslager“ verlegt. Dabei handelt es sich um einen separaten Lagerbereich, in den nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge zum Sterben ausgelagert werden. Arthur wird hier ohne medizinische Versorgung und mit minimaler Verpflegung sich selbst überlassen.
Am 13. März 1945 stirbt Arthur Leuschner.
Die Umstände seines Todes sind unbekannt, da die SS überwiegend "natürliche Todesursachen“ protokolliert, unabhängig davon, was tatsächlich geschieht. Im Fall von Arthur dokumentiert sie "Kreislaufschwäche und allgemeiner Körperverfall“.
Seine Familie weiß zunächst nichts über sein Schicksal und hinterfragt es auch nicht weiter. Erst 1949 beantragt seine ehemalige Ehefrau Martha Leuschner ein Todesfeststellungsverfahren, um Unterstützung für die gemeinsame jüngste Tochter zu erhalten. Das Amtsgericht Dresden ermittelt dann die Information, dass Arthur im Konzentrationslager Mauthausen verstorben ist.
Martha Leuschner lebt noch bis zu ihrem Tod 1984 im Haus Bramschstraße 2 in Dresden-Löbtau. Die Gaststätte "Zur Myrte“ existiert danach noch viele Jahre weiter.

Sein Urenkel veranlasste 2020 die Verlegung des Stolpersteins und verfasste diese ausführliche Biografie seines Urgroßvaters.

Quellen

Archive:

Amtsgericht Dresden.
Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Wien.
Arolsen Archives: Internationales Zentrum über NS-Opfer, Bad Arolsen.
Bundesarchiv Berlin.
Evangelisch-Lutherisches Kirchspiel Großenhainer Land.
Stadtverwaltung Großenhain.
Privatarchiv Marc Baumgart.
Stadtarchiv Dresden.


Verwendete Literatur/Internetseiten: Littner, Karl / Derk, Stefan / Haunschmied, Rudolf A. (2020): Ein Leben am seidenen Faden. Von Auschwitz-Zazole bis Gusen II und mein Weg zurück in die Freiheit. Norderstedt: BOD.
O.A.: Altesdresden.de - das alte Dresden in Bildern Haus für Haus: https://altesdresden.de/ [11.04.201]
Prenninger, Alexander (2017): Das letzte Lager. Evakuierungstransporte in der Endphase des KZ-Komplexes Mauthausen. Unv. Diss., Universität Wien.
Sprenger, Isabel (1996): Groß-Rosen. Ein Konzentrationslager in Schlesien. Köln: Böhlau.


Sowie:
Überlieferungen der Familie Baumgart/Leuschner.

Putzpate:
bereits vergeben

Wenn Sie eine Putzpatenschaft für einen oder mehrere Stolpersteine übernehmen möchten, melden Sie uns das bitte an die Mailadresse email hidden; JavaScript is required.